31. August 2014

Oggi, Fata und Sarajovo – hajde bona ne placi – samo nek je nose iz moje avlije – nisu svi ratni zlocinci

Sehr lange Zeit bin und war ich mit meiner eigenen Trauer beschäftigt und vielleicht ist das auch der Grund, warum ich besonders bei der Dokumentation: Sarajevo my love still und leise Tränen verdrücke.

Noch immer beschäftigt mich mein Herkunftsland, aber ich hatte keine Kraft, mich mit der Thematik groß auseinanderzusetzen.

Heute habe ich drei Dokumentationen gesehen und jede davon verleiht mir einen Stich in das Herz, weil sie zeigen, wie viel in Bosnien vor allem noch im Argen liegt und wie tief die Wunden reichen.

In "Finding family" ist Ognjen Tomic, Fotograf und Filmemacher aus England, auf der Suche nach seiner Mutter, die ihn als Baby auf der Geburtsstation eines Krankenhauses bei Sarajevo zurücklässt, weil sie nicht verheiratet ist und weil ein uneheliches Kind eine "sramota" ist. Oggi wächst im moslemischen Teil Bosniens auf und hat später Probleme, sich als Serbe zu sehen.
Er lebt in verschiedenen Kinderheimen und muss sehen, wie er im Krieg zurecht kommt.

Berührend ist die Doku, weil Oggi so ein hartes Schicksal hinter sich hat, ohne ein Familienmitglied aufwächst und dennoch später als Erwachsener so eine Milde und Reife ausstrahlt.

Ich habe überlegt, ob ich seine Mutter unsympathisch finde, ob ich sie hassen würde oder ob ich Verständnis hätte. Reicht es aus, dass ein uneheliches Kind eine sramota ist, um es wegzugeben? Es sich selbst zu überlassen? Ich hätt mein Kind nie zurückgelassen, aber ich bin auch nicht in Jugoslawien im Jahr 1985 aufgewachsen und weiß nicht, wie es ist, dem Druck der Familie und des Dorfes standzuhalten.

Verzeiht Oggi ihr?

Auf der Suche nach meiner Familie

Im Film: "Das Haus, das Fata nicht gebaut hat" wird Fatas Kampf um ihr Land thematisiert. Fata Orlovic lebt in Konjevic Polje. Ihr Mann und andere Familienmitglieder wurden in Srebrenica hingerichtet. Als Fata in ihre Heimatstadt zurückkommt steht eine serbisch orthodoxe Kirche auf ihrem Land. Seit über 12 Jahren kämpft sie dafür, dass die Kirche verlegt wird, aber der Prozess gestaltet sich schwierig und man hat das Gefühl, dass der Geistliche Kacavenda auch kein Interesse daran hat, die Angelegenheit schnell zu klären.

Nun bin ich kein Jurist und Experte, aber der gesunde Menschenverstand sagt mir, dass eine Kirche, eine Moschee oder eine Synagoge auf meinem Land nichts zu suchen hat, da es nun einmal mein Land ist, selbst wenn ich im Krieg enteignet wurde. Fata ist zurückgekehrt und wenn sie aus dem Fenster sieht, sieht sie eine Kirche, für deren Bau sie keine Erlaubnis erteilt hat.

Fata´s story

Letztlich hat mich aber die Doku "Sarajevo my love" am meisten bewegt.
Jetzt könnte man natürlich wieder argumentieren, die Videos stammen alle von Al Jazeera und natürlich sind sie alle antiserbisch gedreht und Unwarheiten werden dargestellt oder die Wahrheit wird verdreht, aber trotzdem denke ich nicht, dass Jovan Divjak ein Verräter ist.

Ich hatte diesen Namen schon gehört, mich aber nie weiter groß um ihn gekümmert.

Heute habe ich viel über ihn gelesen. Jovan Divjak ist in Serbien geboren und orthodox. Er kam nach Sarajevo, verliebte sich in die Stadt und blieb. Während des Krieges diente er in der bosnischen und nicht in der serbischen Armee, allein das macht ihn bei vielen Serben natürlich zum Verräter. Wie ich gelesen habe, war er der einzige Serbe in der bosnischen Armee. Weiß da jemand Genaueres?

Als im Mai 1992 serbische (damals jugoslawische) Truppen Sarajevo verlassen wollten und als ein Austausch von Izetbegovic gegen serbische Gefangene stattfinden sollte, wurde der Konvoi beschossen und im Zuge dessen starben mehrere Menschen. Divjak wird vorgeworfen, den Befehl gegeben zu haben, obwohl auf Videos deutlich zu hören ist, dass er immer wieder schrie: Ne pucaj! (Schießt nicht!).

Nach Divjaks Verhaftung im Jahr 2011 in Wien kam es vor allem in Sarajevo zu Massenprotesten, die forderten ihren "Sarajovo" sofort freizulassen.

Letztendlich wurde die Anklage fallen gelassen, was wiederum Unmut bei den Serben auslöste, die das Bild bestätigt sahen, dass ihnen Unrecht angetan wird und dass die Welt sich nur auf moslemische und katholische Opfer konzentriert. Der Fall in der Dobrovoljacka-Straße ist immer noch umstritten.

Sarajevo my love

Womit wir wieder bei der Frage wären: Ist jeder, der seine eigene Meinung vertritt, der sich nicht dem blinden Nationalismus beugt, der seine Überzeugungen nicht aus Angst aufgibt und Widerstand leistet ein Verräter?

Sarajovo, ein Held?


Jagd auf Jovo

Der Fall Fata

Website von Oggi Tomic