4. Mai 2014

Once upon a byte in some galaksija far far away


Der Galaksija



Wie ihr schon wisst, war ich gestern auf einem Computer Vintage Festival auf dem alte Computer aus Exjugoslawien den Schwerpunkt bildeten. Irgendwo hatte ich mal ein Titelbild der gleichnamigen Zeitschrift Galaksija gesehen, auf dem ein Computer prangte, aber mir war bis vor Kurzem nicht klar, dass Jugoslawien seine eigenen Computer gebaut hat.

Der Besuch war eine lustige Sache, erstens weil ich mich Computer ungefähr so viel interessieren wie der berühmte Sack Reis in China und zweitens weil ich soviel von Programmieren verstehe, wie Sheldon Cooper von zwischenmenschlicher Kommunikation. Und so kam ich mir vor wie Penny in einer dieser Physikvorlesungen.

Ich marschierte in den Vortrag, den ein Zarko Zivanov hielt und fand mich in einem Raum voller Nerds wieder, die auch so aussahen. Ich bin die einzige Frau, dachte ich. Aber dann entdeckte ich eine weitere zwei Reihen hinter mir. Stellt sich heraus, sie ist Zarkos Ehefrau.

Zarko trägt ein T-Shirt mit dem Aufdruck: Once upon a byte und ich frage mich, was noch einmal ein Byte ist und hoffe, ich verstehe überhaupt irgendetwas. Ram, ROM, alles dasselbe für mich.

Hier eine Zusammenfassung:

Zarko Zivanov ist Assistenzprofessor an der Universität in Novi Sad und begeistert sich für Retro-Computer. Er hat ein paar alte Exemplare gekauft, wieder zum Laufen gebracht und würde sie für kein Geld der Welt wieder verkaufen. Immer wieder gegegnet er Menschen in Exju, die diese alten Rechner sehen und ganz verzückt jauchzen: Gleeee, vidiiiiiiiiiii......

Im alten Jugoslawien gab es strenge Import- und Exportbedingungen und es war in den 80ern nur durch Schmuggel möglich an westliche Computer zu kommen und selbst die waren so teuer, dass sie sich nicht jeder leisten konnte. 

1983 hatte Voja Antonic die Idee, Computer der breiten Masse zugänglich zu machen. Fragt mich nicht nach Einzelheiten, ich glaube, es war so, dass er die CPU verwenden wollte, um ein Videosignal zu erstellen, ohne dass komplizierte Schaltkreise notwendig waren. Jeder sollte seinen eigenen Computer im Baukastenprinzip zusammenbauen und ihm eine eigene Optik verleihen. Der ganze Computer ist als open source aufgebaut, sowohl die Hard- als auch die Software. Antonic wendete sich letztendlich an das Magazin Galaksija, und der Home Computer wurde Ende 1983 in einer Sonderausgabe racunari u vasoj kuci vorgestellt. Anfangs hofften alle, es würden sich an die 1000 Exemplare kaufen, aber damals hatten nur sehr wenige Menschen einen Computer zu Hause, so dass Voja verspottet wurde, diese Zahl erschien viel zu optimistisch. Letzten Endes schlug der galaksija ein wie eine Bombe und es verkauften sich über 8.000 Exemplare, nicht zuletzt weil der Computer kräftig beworben wurde. In Radiosendungen konnte man Spiele herunterladen (genau so etwas meine ich, ich habe nicht verstanden, wie das gehen soll und welche Signale oder was auch immer da gesendet wurde, auf jeden Fall hatten nur Computerfreaks Spaß daran).


Quelle


Das Gute an galaksija war, dass eben jeder Käufer sein Exemplar selbst zusammenbauen musste, eine ganze Generation lernte Schemadiagramme zu lesen und zu programmieren, bevor sie am Computer spielen konnte. Es brach so ein Boom aus, dass die Eltern damals schon meckerten: Ispasti ce ti oci, sjedis ispred computera, umjesto da ides van!

Aber learning by doing sozusagen. Hier ein Bild davon:




Im Raum ein Raunen und Ahs und Ohs und bei mir nur Fragezeichen. Die Enthusiasten erzählen und erzählen und immer wieder höre ich: OK, one last thing und es folgt wieder eine Anekdote, die ich nicht verstehe, haha.

An den galaksija konnte man ein Kassettengerät anschließen und über die Kassette wurden dann 0 und 1 gesendet. Der Preis betrug an die 200 DM, was sich damals viele Leute leisten konnten, denn der durchschnittliche Monatslohn betrug an die 600 DM.

Ready Cirilica!

Später folgten der Lola 8, von dem auch das einzig bekannte erhaltene Exemplar zu sehen war. Ich vergaß zu erwähnen, dass die Computer funktionierten! Zarko tippt eigens für den Blog ein Cirilica Ready ein. Die Tastatur ließ sich zwischen Latein und Kyrillisch umschalten und das berühmte @-Zeichen gab es auch schon, es wurde eingesetzt, um Koordinaten einzugeben.

Das Militärunternehmen Ei Pecom stellte den HC Pecom her, der mit einem Militärchip versehen war. Man witzelte damals und auch heute, dass der Pecom einen Nuklearangriff überstehen würde, ein Zuhörer im Saal warf ein, dass der Chip radioaktive Strahlung aushält und auch im All verwendet werden kann. (Sehr fortschrittlich die Jugos?!) Damals wollte man den Pecom prvi domaci microracunar nennen, was du einer Abkürzung von prdomi geführt hätte, und da prd an ein Furz erinnert, sah man davon ab.

Im Anschluss folgen Witze, die ich nicht verstehe und das Publikum schmeißt sich weg vor Lachen. Nach dem Pecom kan der Hobby zr 84 auf den Markt, der ungefähr 300 DM kostete und in Schulen (wie so viele andere) eingesetzt wurde. Man konnte seine Schulprüfungen über ihn abwickeln. Es tauchen Fragen auf ihm auf und dann konnte man zwischen den Antworten A, B C und D wählen, im Anschluss druckte der Computer dem Lehrer gleich die Ergebnisse aus. Ein erst 16-jähriger Junge war auch vom Programmieren begeistert und hatte das Modell ganz alleine entwickelt (!).


Weitere Modelle hießen Misedo 84, Oric Nova 64 oder Ines. Ines wurde beispielsweise an den jugoslawischen Flughäfen zum Ausdrucken der Ticketes und für die Buchungen verwendet. 

Ende der 80er brach schließlich ein Kampf aus, wer die Schulen mit Computern versorgen soll, in den verschiedenen Teilen Jugoslawiens wurden auch verschiedene Modelle eingesetzt. In der Zwischenzeit eroberten aber amerikanische PCs den Markt.

Mikroprozessoren wurden auch nie in Exjugoslawien hergestellt, obwohl das Wissen dazu da gewesen wäre, aber innerhalb eines Unternehmens hatte im Kommunismus jeder etwas zu sagen und Velibor Glisin, der Zarko begleitet, erklärt mir, dass ein einfacher Arbeiter, der sowieso nichts in der Birne hat, schlicht sagte: „A sta ja imam od tog da pravim Mikroprozessoren, bolan?“ Alle Prozesse dauerten lange und so wurden Prozessoren für teures Geld importiert.
Da man aber damals im selben Geldwert etwas exportieren musste, um etwas anderes zu importieren (sehr schlau eigentlich), exportierte eine Firma selbst geflochtene Körbeum die Mikroprozessoren importieren zu dürfen. Sie haben viele, viele Körbe geflochten...



Velibor Glisin & Zarko Zivanov


In den 1990er Jahren kam die heimische Computerproduktion dann vollkommen zum Erliegen, erstens weil der Bürgerkrieg wütete und zweitens weil Jugoslawien mit Sanktionen belegt wurde.

Dabei war Jugoslawien eines von fünf Ländern weltweit, das bereits in den 1960ern Computer herstellte. Heute sind Fachkräfte aus Exjugoslawien immer noch gefragt, was das Thema IT angeht, wie mir Zarko und Velibor versichern, sie verdienen mehr als der durchschnittliche Angestellte und arbeiten mit internationalen Unternehmen zusammen.

Heute gibt es wie gesagt kaum noch erhaltene Exemplare der alten Computer und Dokumentation erst recht nicht.

Zarko hatte das technische Museum in Belgrad mehrmals angeschrieben, aber es antwortet nicht. Er möchte hinfahren und die Verantwortlichen erwürgen, weil er nicht einmal eine Antwort erhält.
Ja, so ist das in Exju, sich bloß nicht zuviel Arbeit machen.

Aber es gibt Emulatoren, was auch immer das sein soll. 

Hier ein paar Links:

 Galaksija

Once upon a byte

http://emulator.galaksija.org/







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