30. März 2014

A daughter´s first love - Ljubavi moja



Poch, poch, poch, poch...poch......poch............poch...........poch........ .   .           .              poch.




Letzte Woche hörte dein Herz einfach auf zu schlagen. Immer hatte ich Angst vor diesem Tag gehabt, an dem das Telefon klingelt und mir eine Stimme sagt, dass du tot bist. Und dann kam er und jetzt ist alles noch schlimmer, als ich es mir je ausgemalt hätte.

Ich fühle keine Trauer, ich bin Trauer, meine Knochen sind schwarz vor Trauer, meine Haut hüllt sich in Grau, meine Arme und Beine gehorchen mir nicht und meine Stimme möchte nicht sprechen, meine Finger möchten nicht tippen, denn keine Buchstaben und keine Worte in keiner Sprache der Welt könnten auch nur annähernd übermitteln, was ich fühle. Fühle ich überhaupt?

Dass ich das hier schreiben muss, um nicht vor Schmerz ohnmächtig zu werden, das tut schon genug weh, schreibe ich das wirklich? Kommst du wirklich nicht wieder?
Nein, das gilt nur für andere Menschen, nur andere Menschen sterben, in Filmen und Serien, aber du nicht.

Ja, ich sah dich dort liegen, mit geschlossenen Lidern, wunderschön sahst du aus. Friedlich sagte meine Schwester. Ein wenig traurig, dachte ich, als ob du nicht gehen wolltest. Ja, ich hielt deine Hand die ganze Nacht lang bis ich vor Erschöpfung kurz einschlief. Ja, ich habe deine Stirn geküsst und dich liebkost, wie eine Mutter ihr Kind, das alles falsch macht, aber trotzdem bedingungslos geliebt wird. Und erst da in diesem wahnsinnigen Moment begriff ich, was Liebe ist. Begriff ich dich und dein Leben. Begriff, was dir wichtig war.

Ich vergesse immer wieder, was ich schreiben will und worauf ich hinaus will, ich weiß nicht einmal, wie ich diesen Text beenden soll, geschweigedenn diesen Tag oder diese Woche...alles ist eingefroren und blockiert in mir, fühle mich vom Leben betrogen...hilflos....verzweifelt..........allein. Ein Teil von mir fehlt jetzt und erst jetzt sehe ich, welches Band zwischen uns vorhanden war, wie sehr du mich geliebt haben musst...Immer hast du gesagt: Warte, eines Tages wirst du auch Kinder haben, dann wirst du verstehen.

Auf dem Tisch liegt der Kaufvertrag meines ersten Autos, du hast es mir gekauft. Das Auto gehört uns seit 1999 nicht mehr, aber du hast den Vertrag noch. Du hast meine Zeugnisse kopiert und Mamas Mutterpass aus dem Jahr 1978 aufgehoben, als sie mit mir schwanger war. Wenn man bedenkt, dass du nie viel geredet hast, nie gestritten und Gefühle schwer zeigen konntest, dann bedeutet das sehr viel, dass du das alles in Klarsichthüllen vor der Zeit retten wolltest und die Hüllen zugetackert hast, damit du ja auhc nichts verlierst.
Ein Personalausweis deiner Mutter war noch darin, Familienfotos und die Medaille, die Tito dir in den 60-ern überreicht hat.
Du hast die Zeitschrift gekauft, für die ich arbeite und hast meinen Namen im Impressum markiert, so stolz warst du.....ich kann gut meckern, aber habe ich dir je gesagt, was ich toll an dir finde? HABE ICH ES JE? 

Wie oft wolltest du SIlvester mit uns feiern oder Weihnachten und ich hatte immer andere Pläne, alles war wichtiger, von New York, Brasilien bis Amsterdam und Co. Wie oft hast du dir gewünscht, ich käme nach Bosnien im Urlaub und ich bin wieder nicht gekommen. In den 12 Jahren deiner Rente war ich höchstens 5 Mal bei dir.....5 Mal in 12 Jahren.....
nur 5 Mal............und du hast geschwiegen und mir nie einen Vorwurf gemacht. Oft mit mir geredet, aber mir nie Vorwürfe gemacht....

Ich wünschte, ich könnte einmal weinen und dann nie wieder, denn jeder Zentimeter meines Körpers hat Angst. Angst, dass die Zeit eben nie heilt, dass die Tränen immer fließen, wenn ich dein Foto sehe, wenn ich an deine Augen denke. Warum habe ich dir nicht öfter gesagt, wie sehr ich dich liebe? Damit du es auch ganz sicher weißt und für immer in der Seele speicherst, so dass dich meine Liebe durch fremde Welten trägt, wo noch kein lebender Mensch je war, damit du nicht frierst, denn du magst Kälte nicht. Ich wünschte, ich könnte dir sagen, dass ich dir alles verziehen habe, das mich früher gestört hat und dich bitten, mir alles zu vergeben, das dich je verletzt haben könnte.
Seit deinem Tod, Papa, seitdem bin ich ein anderer Mensch. Ich kann nie wieder sein, wer ich war, denn in diesem Moment.......als ich diese Worte hörte wie in einem bösen Alptraum.....in diesem Moment..fiel alles Böse, das noch an mir haftete ab....es fiel ab wie trockener Schmutz, alles, das mich kleinlich, neidisch, hart, gemein oder negativ macht......löste sich in Luft auf und es blieb der Schmerz, der mein Herz so fest umklammert, dass ich ab und an denke: Ja, man kann an gebrochenem Herzen sterben..kein Zweifel.

Es war nicht immer leicht zwischen uns mein Herz, mein Vater, meine Liebe, mein Held. Wann habe ich einmal an dich gedacht und wie du dich fühlst? Als Kind denkt man immer nur an sich, man sieht nur das Schlechte an den Eltern und ich sehe jetzt nur einen Menschen, der sein ganzes Leben lang auf der Suche nach Liebe war, dem sein Herz gebrochen wurde, lange bevor er erwachsen war.

Wie doof fand ich es, dass wir daheim „Jugoslawisch“ sprechen mussten, wie doof fand ich deine übertriebene Pünktlichkeit, wie doof fand ich es, dass ich Akkordeon spielen musste. Heute bin ich dankbar, dass ich „Jugoslawisch“ kann, heute weiß ich, dass du in Jahrzehnten nie zu spät zur Arbeit gekommen bist und dir deine Akkordeonstunden selbst verdienen musstest. Heute weiß ich, dass du deine „curice“ geliebt hast, nein liebst, dass du uns immer beschützen wolltest und wohl oft verzweifelt gewesen sein musst, wie stur ich war.
Wie oft habe ich dich für emotionslos gehalten, dabei gingst du aus dem Zimmer, an dem Tag als mein Sohn geboren wurde, denn du wolltest nicht, dass ich deine Freudentränen sehe, du hast allein vor der Türe geweint.

Aber weißt du, wie das ist mit der Liebe? Sie muss keinen Sinn ergeben und für andere auch nicht nachvollziehbar sein oder logisch. Das ist sie eben, man liebt oder eben nicht. Und es spielt keine Rolle, ob man alles richtig gemacht hat, es zählt nur, dass man es richtig machen wollte und das wolltest du. Du hast meine Hand auch noch gehalten, als ich über 30 war....Ich liebe dich mit einer Inbrunst, die mich zwingt, an ein Leben nach dem Tod zu glauben, wie sonst könnte ich weitermachen ohne dich?
Ich muss hoffen, dass du mich eines Tages mit offenen Armen erwartest und dass ich dann Zuhause bin, denn ohne dich gibt es kein irdisches Daheim mehr. Es ist, als ob meine Essenz fehlt, mein Innerstes, mein Kern. Ich bin nichts mehr als eine Hülle, die so leblos durch die Wohnung und die Stadt schweift. Ab und an reißt mich etwas aus den Gedanken, kurzzeitig kann ich auch lachen, aber dann fallen Tonnen an Granit auf meine Brust und ich weiß, du kommst nicht zurück und gehst nie wieder angeln mit mir, nennst mich nie mehr „Milla“.

Jedes Haar habe ich in deinem Gesicht betrachtet, um es mir einzuprägen, deine kalten Hände mit meinen Tränen benetzt. Nemoj suze na njega, sagten die alten Frauen in unserem Haus. Lass nicht die Tränen auf ihn tropfen...
Wenn es nur die Tränen wären....ja es mag abgedroschen klingen, aber ein Teil meiner Selbst ging mit dir.

Die Orthodoxen sagen ja, die Seele wandert noch 4o Tage auf der Erde herum, bevor sie uns verlässt.

Was sollst du wissen, bevor deine Seele geht? Du sollst wissen, dass es keinen Moment gab, in dem ich aufgehört hätte, dich so innig zu lieben, wie es nur möglich ist. Ich habe dich bewundert, als kleines Mädchen war ich verliebt in dich, du und Elvis wart die schönsten Männer auf der Welt und es gab keinen sichereren Platz auf diesem jetzt so gottverdammt einsamen Planeten als auf deinem Schoß an deine Brust geschmiegt. Du sollst wissen, dass ich jeden Tag meiner 35 Jahre opfern würde, damit du noch einen Tag leben kannst, ich würde dir mein Herz geben und dein krankes nehmen. Du sollst wissen, dass du nie etwas getan hast, dass meine Liebe hätte schmälern können. Ich bin Mutter, ich weiß, auch Eltern haben Angst, dass sie bei ihren Kindern etwas falsch machen...Wenn ich dich ansah, sah ich auch nur ein Kind, das über Berge und durch Täler gelaufen ist, um bei den Menschen zu sein, die es braucht. Wie hast du dich damals nur gefühlt, du sagtest, da hast du zum ersten Mal gespürt, dass dein Herz weh tut.

Hätte ich dich nur beschützen können, mein Schatz...hätte ich dir nur noch einmal sagen können: ich bin stolz auf dich..ich brauche dich.....

Dieser Brief kommt mir so schäbig vor und schlecht, weil auch er dir nie vermitteln können wird, welche Leere in mir herrscht und wie sehr es schmerzt.

Ich tue mein Bestes und gehe auch mal raus, aber dann sehe ich dein Foto auf meinem Telefon und der Schmerz tritt durch die Augen, nimmt die Abkürzung direkt ins Herz, windet sich durch die kleinsten Lücken und bohrt sich dann so tief hinein, dass die gesamte Verzweiflung der Menschheit sich auf mich legt wie eine abgrundtiefe Gewissheit, dass diese Lücke nichts jemals füllen können wird.

So viel hätte ich dir noch zu sagen.......aber mir fehlen die Worte, genauso wie du mir fehlen wirst, solange ich lebe. Du hast immer einen Platz in meinem Herzen eigenommen, wo niemand je hingekommen ist und nie hinkommen wird, der Platz, der nur für Teddybärenpapas mit graugrünen Augen reserviert ist.
Denn in dem Moment, als ich den Telefonanruf erhielt, da hörte mein Herz irgendwie auch auf zu schlagen....Am schlimmsten war der Moment, als sie den Sarg schlossen. Die Sonne hatte auf dein Gesicht geschienen, es war warm, die Vögel zwitscherten und dann folgte noch ein schlimmster Augenblick, ach.........jeder Augenblick war der schlimmste.......sie ließen deinen Sarg in die Erde hinab und ich war so tot, dass ich nicht einmal weinen konnte.
Dann plötzlich fing es zu regnen an, als die Erde das Grab verschlossen hatte, als ob du sagen wolltest: jetzt geht essen und weint nicht um mich. Nie hast du gejammert, wenn du schlimm krank warst. Nie hast du dich beschwert.

Wie durch Zauberhand hörte es kurz darauf auf zu regnen und genau vor uns erschien ein Regenbogen.

Ich sah ihn, aber mein seelisches Herz schlug nicht mehr.
Ich stand 2 Tage später an deinem Geburtstag an deinem Grab und brachte dir Geschenke.
Gibt es einen schwereren Gang?
Wie sollte es da nicht aufhören, zu schlagen, ljubavi moja?

poch, poch...poch........................poch......                 poch.








6 Kommentare :

  1. Er war so ein toller Mensch....
    Ich bin nicht unbedingt ein Mensch von großen Worten, jedoch verspühre ich das Bedürfnis hier noch ein paar Worte zu schreiben .
    In dem Moment in dem meine Familie und ich die traurige Nachricht bekommen haben, konnte ich es nicht glauben. Mein Vater - ein Mann der ungern Gefühle zeigt - brach in Tränen aus...er hatt deinen Vater geliebt. Wie oft hat er uns erzählt das er ohne ihn nicht der Mensch wäre der er heute ist. Er sagte immer "Vid mi je kao stariji brat"...
    An diesem Morgen an dem wir alle von ihm Abschied nehmen mussten, hatte auch ich zu kämpfen. Es war alles so traurig, so schwer! Euch so zu sehen hat weh getan. Als ich ihn so friedlich liegen sah gingen mir einige Momente durch den Kopf die mich immer an ihn erinnern werden.

    Mein erster Besuch beim Oktoberfest in München - er war mit mir dort und hat mir einen Bierkrug geschenkt - den hab ich noch immer!

    Der schwarze Mercedes mit dem er immer an unserem Haus vorbei fuhr und immer stehen geblieben ist um zu fragen wie es mir und meiner Familie geht.

    Vor ein paar Jahren hat er mich in unser "Dorfcafe" eingeladen und mir voller Stolz erzählt wie seine Snjeza für ein Magazin arbeitet und sicher ganz groß raus kommen wird.

    Es gibt noch unzählige Momente die mich immer an diesen Mann erinnern werden. An einen Mann der für jeden ein Vorbild sein soll!

    Ich wünsch euch noch einmal ganz viel Kraft in dieser schweren Zeit...
    Vide, neka ti je laka zemlja!

    Dada
    (Von ihm auch immer "mala" genannt)

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  2. Ach Dado, was für ein schöner Kommentar. Danke dir! Es tut gut zu hören, wie gern ihn andere mochten.
    Ja der Papa hing immer in Cafes rum und war so gesellig, ich freue mich, dass auch junge Menschen wie du gern mit ihm zusammen waren.

    Hvala ti "mala".
    Velika pusa.

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  3. Mir kamen die Tränen. Wunderschöner Brief an Deinen verstorbenen Vater. Kann deinen Schmerz nachempfinden. Fürchte mich jetzt schon vor diesem Tag, wenn meine Eltern von mir gehen! Ich bin mir sicher, dass Dein Vater weiss, wie sehr du ihn geliebt hast. Monika

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  4. heulend habe ich deinen brief gelesen! ich wünsche dir viel kraft! ich weiß nicht wie ich sowas überstehen würde und hoffe ich musss es nie überstehen... aber ich weiß es wird irgendwann kommen! lg silvija

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  5. Lieber Papa, immer wieder komme ich zu diesem Post zurück und lese diese Zeilen. Immer wenn ich lache, fühlt das Lachen sich an wie ein Betrug. Jedes Mal, wenn ich konzentriert nachdenke, sei es in der Arbeit oder sonst irgendwo, fällst du mir wieder ein und ich muss mich zusammenreißen, um nicht zu weinen. Manchmal schlafe ich ruhig ein und ganz plötzlich schrecke ich hoch und denke: Du wirst mich nie zum Altar führen, du wirst mich nie im Brautkleid sehen, falls ich je heirate, du wirst nie meine Tochter sehen, die ich mir so wünsche. Seit du weg bist, dreht die Welt sich weiter und ich denke: wie kann sie nur. Wenn ich mal keinen Schmerz fühle, denke ich: Wie kann ich nur?! Aber die Wahrheit ist: du fehlst mir an jedem Tag, in jeder Stunde und in jeder Minute. Du begleitest mich wie ein Schatten, der auch im Dunkeln immer da sein wird, bei Sonne und bei Regen. Nedostajes mi.

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  6. Koliko god puta ovo čitam...rasplačem se svaki put i setim se mog tate...und es tut genau so weh wie vor zwei Jahren:'(

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