21. Februar 2016

I hate Yu - Teil eins - vulva vulgaris und andere Ärgerlichkeiten


Der Jugo in mir liebt Bosnien und alle anderen Länder des ehemaligen Jugoslawiens, denn sie haben viel Schönes zu bieten. Der Schwabo in mir rümpft aber über Etliches die Nase und erhält heute seine Plattform.

Aufgrund der vielen Nachrichten, die mich erreichten, wird der Blogpost auf mehrere Teile aufgeteilt.

Hassliebe Teil eins beginnt mit einer ominösen Erkrankung der vulva, bindge und trash eating, der allwissenden jugoslawischen Philosophie und Lemmingen.


Vulva vulgaris

Mein kleiner Sohn steht vor mir und sagt: „Idi u pičku materinu.“
Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: „Jebem ti mater.“ Wir sind in Bosnien und Familienmitglieder finden es wohl sehr amüsant, dem kleinen Schwabo Serbokroatisch beizubringen. Dass es sich um derbe Schimpfwörter handelt, ist volle Absicht, denn das hört sich unglaublich lustig an, wenn ein Vierjähriger weibliche Körperteile zum Fluchen verwenden kann, von denen er noch nicht einmal weiß,wo sie liegen. Immer wieder kam es wegen solchen Zwischenfällen zu Diskussionen, in denen ich gebeten habe, ihm etwas Sinnvolles beizubringen, aber es hat nicht gefruchtet und ich war die Spaßbremse.

Eine Followerin schreibt: Sie bringen deinem Kind bei „Puši kulac“.
Ein halbes Jahr später wird dann gejammert: „E kako češ babi tako nešto reći?“

Karma strikes back, baba.

Überhaupt ist das Fluchen sehr weit verbreitet, was es für mich nicht akzeptabler macht. Wie kann man einerseits gottesfürchtig sein und dann andererseits sagen: „Jebem ti boga“, auch das „sunce“ muss herhalten, Jesus oder sogar das täglich Brot.

Fluchen ist so allgegenwärtig, dass es sogar in einer freundlichen Version gebraucht werden kann, wie auch schon Danko Rabrenovic gesagt hat. Während Dankos Video zu diesem Thema wirklich witzig ist, bin ich jedes Mal peinlich berührt, wenn die Worte „kurac“ und „pička“ zu oft fallen. Es ist mir daher sogar unangenehm, wenn mich jemand fragt: „Hoćeš pizzu?“


Nicht einmal eine Übersetzung ins Deutsche macht es ertäglicher, denn ich finde sie noch vulgärer. Anzügliche Bemerkungen sind keine Seltenheit. Ich weiß noch, wie ein Bekannter einmal sagte: „Tvoja mama mi je draža gola, nego tvoj tata obučen.“ (Deine nackte Mama ist mir lieber, als dein angezogener Vater.) Was soll ein Kind mit dieser Information anfangen?

Als die Tochter einer Bekannten ungeplant schwanger wurde, sagte ihre Tante damals zu ihr: „Pa jebiga, žašto se jebeš, kad ne znaš?“

Letztens habe ich in den Nachrichten gelesen, dass ein serbischer Politiker sogar entlassen wurde, weil er gegenüber einer Journalistin einen anzüglichen Satz fallen gelassen hat, dabei bin ich ziemlich sicher, dass er es nicht einmal böse gemeint hat. Es ist eine Art von Humor, die schon immer allgegenwärtig war. Jugoslawen leiden kollektiv an vulva vulgaris.

S. aus der Schweiz schrieb mir, dass sie mit einer schweizer Freundin in Kroatien war und Bekannte sagten ständig zu ihrem Sohn: "Hajde je pitaj hoce li ti dati."
Irgendwann reichte es S. und sie sprang auf: A zasto bi mu dala, kad je budala?!

Die Bekannten waren natürlich beleidigt und haben anschließend nicht mehr mit ihr geredet. Ja, es gibt wohl dieses Bild, dass man das zu Ausländerinnen, die man noch dazu kaum kennt, sagen kann. Aber ich denke, die einheimischen Frauen leiden genauso unter diesen niveaulosen Sprüchen.

Unter sehr engen Freunden und ab und zu mag dieses Fluchen im Spaß durchaus seine Berechtigung haben, aber im Alltag und zu jeder Zeit, ruft es in mir ein unangenehmes Gefühl hervor, gewürzt mit einer Prise Primitivismus – wobei ich beim nächsten Punkt wäre.

Znam da sve znam – Balkrates primitivus in seiner grenzenlosen Ignoranz 

Natürlich sind kaum Akademiker als Gastarbeiter in den Westen gekommen und oft kommt es mir so vor, als ob sich der geballte Primitivmus bestens unter Jugos gehalten hat. Während Sokrates sagte: Ich weiß, dass ich nichts weiß, weiß der Balkan-Philosoph Balkrates alles und zwar besser, auch durch die Wissenschaft lässt er sich dann nicht überzeugen.

Verzeiht, ich verallgemeinere sehr und überspitze es, aber manchmal sehe ich mir die Szenen an und denke: Ok, so ist es also eine Evolutionsstufe weiter unten. Denn die Mutter einer Freundin wedelte mit dem weißen Speck:
„Möchtest du, Snježana? Habe ich gerade aus Bosnien nach Deutschland geschmuggelt. Ha, oš?“
„Nein, danke“, entgegne ich und halte meine Rede, dass ich Vegetarierin bin und dass reines Schweinefett auch nicht so gesund ist, wie ja allgemein bekannt.
„Neš, aaa? Štoooo? Nemaju ti njemački doktori pojma. To je zdravo.“
Ich bekomme zu hören, dass das gar nicht stimmt, es sei sogar sehr gesund und erst letztens habe sie gehört, dass der bosnische Arzt den moslemischen Frauen jeden Tag ein Stück weißes Fett empfiehlt, denn das sei gut für die Lungen. Alle Mosleminnen haben es mit den Lungen, weil sie kein Schweinefett äßen.

Nun, man muss wissen, wann man nickt und sich verabschiedet, ohne eine Diskussion anzufangen. Die Frau war über 60 und ich wollte sie nicht weiter belehren.

Viel erschreckender ist, dass ich eine Freundin hatte, die zwar 1983 geboren ist, aber genauso war. Als sie damals sah, dass ich ein Buch von Waris Dirie lese, wollte sie wissen, worum es geht. Ich klärte sie auf, dass die Autorin beschnitten wurde, worauf ich herzlich ausgelacht wurde. Wie man so dumm sein kann und wie kann man denn eine Frau beschneiden. Auf meine Erklärungen hin, dass das sogar heute noch passiert und auch mitten in Europa, folgte wieder nur ein Augenrollen.
„Meinst du nicht, die Welt hätte schon mal davon gehört? Also ich habe so einen Unsinn noch nie gehört!“
Das legte sich nicht einmal, als ich ihr androhte, ihr die Bilder bei Google zu zeigen. Generell sind Jugos Schlaumeier und wissen alles und das auch noch besser.
Wenn sie älter sind als man selbst, hat man sowieso nichts zu melden.
Von Älteren habe ich oft gehört: „Šut! A, šta ti znaš?

Nichts, ich weiß, dass ich nichts weiß. Kein Problem, nimm die Tabletten deiner Frau gegen den hohen Blutdruck, dabei hast du Diabetes, den musst du nicht überprüfen lassen.
Und du Mädel, nimm nur eine Pille kurz vor dem Verkehr und nicht jeden Tag, wird schon gut gehen! Ich kannte eine Frau, die sich zu sehr auf Gerede statt auf die Wissenschaft verlassen hat. Sie war der festen Überzeugung, dass sie nicht schwanger werden kann, solange sie ihr erstes Kind noch stillt. Ich habe gesagt, dass das nicht stimmt, aber das haben die Frauen ihn ihrem Ort angeblich seit Jahrhunderten so gemacht und nie wurde während des Stillens ein Kind gezeugt.
Das Ende vom Lied ist, dass die zweite Tochter nur 12 Monate jünger ist als die erste.


Bolje da ljulja nego da žulja

Das Thema Ernährung nervt mich ganz besonders und immer die leicht verächtlichen Blicke, wenn klar wird, dass ich kein Fleisch esse. Ständig muss ich mir anhören, dass ich zu dünn bin, man kann nicht arbeiten ohne Energie, ohne Eiweiß, die viele körperliche Arbeit auf dem Feld, da muss man einfach richtig essen. Sprach´s und verdückte bergeweise Weißbrot und Schweinebraten mit Kartoffeln, das Ganze schön gebraten in Sonnenblumenöl. Argumente, wie dass Bohnen viel Eiweiß enthalten oder dass es selbst unter Leistungssportlern Vegetarier gibt, die zählen einfach nicht. Ich bekomme keinen Mann ab, wenn ich so mager bin, bolje da ljulja nego da žulja. Wenn ich in Prnjavor einen Orangensaft bestelle, dann bekomme ich ab und zu Fanta, denn die ist auch gesund.

Kristina schrieb mir über den Jugoschwabo, dass es sie nervt, wenn ihre Kinder gemästet werden. Es wird einfach nicht geduldet, dass sie keinen Hunger mehr haben und so eine Glutenunverträglichkeit sei ja auch nichts, was soll denn schon passieren „Hoċeš rezance? Hajde probaj kolač, šta će ti biti.“

Naja viel passieren kann nicht, ein Zöliakie-Betroffener kann nur unter Schmerzen deine Porzellanschüssel sprengen oder eine Magenschleimhautentzündung bekommen.

Ich kenne eine dicke Frau unten, die ihrem Kind Butter pur in den Mund schiebt oder Pommes und sich dann wundert, warum der Kleine nicht mal hundert Meter Fahrrad fahren kann. Also das kann sie sich nicht erklären. Nein? Ich mir schon. Er äße doch gar nicht viel, Süßigkeiten kaum. Nein, dafür trinkt er einen Liter Cola am Tag und hat schwarze Ruinen im Mund. Aber das macht auch nichts, denn das sind nur die Milchzähne und die fallen auch aus, ob ich denn das nicht wüsste? Gelächter aufgrund meiner Dummheit verbreitet sich.

Meine Schwester war in Bosnien bei der Nachbarin, deren Tochter verspeiste kiloweise Kartoffelchips. Als meine Schwester sagte, dass es jetzt genug ist, sagte die Nachbarin: „Das ist aus Kartoffeln, die sind ganz gesund. Als die Kleine krank war, hat sie nichts anderes gegessen, die Kartoffelchips haben sie gesund gemacht!“

Ein Besuch in Bosnien ist trotz viel Obst und Gemüse für mich nicht einfach, das Essen ist mir zu ungesund. Wie oft werde ich genötigt, bereits morgens Pfannkuchen zu essen. Zu allem gibt es Weißbrot und die Kuchen und Torten triefen nur vor Fett, tulumbe, hurmašice, uštipke und Co. Kann ich einfach nicht jeden Tag essen. Die Portionen sind so groß, dass ich sie nie aufessen kann und dann folgen wieder diese mitleidigen Blicke. Sie denken bestimmt, ich bin ein armes Opfer des Westens, blind vor Magerwahn. Sorry, Marija, ihr schmeckts nicht und sie leidet an einem Zucker-Overkill, der von einem Dauerzittern begleitet wird vom vielen Kaffee, den man immer und überall trinken muss. Was bin ich glücklich, wenn ich einfach Tomaten vorgesetzt bekomme, gebratene Paprika mit Knoblauch und ein Wasser.

Wieso gibt es wie bereits an anderer Stelle erwähnt, auf Feiern immer und ausnahmslos dasselbe zu essen? Warum? Ich kann nicht aufzählen, wie oft ich supa, kupus salata, sarma, pečenje und grah gegessen habe. Haben die Jugos Angst, dass andere das erwarten? Denken sie es gibt sonst Gerede? Als ich einmal erwähnte, dass es auf meiner Hochzeit das sicher nicht gibt, gab es auch erstaunte Blicke, als ob ich gesagt hätte, ich heirate Marija Šerifović nackt im FKK Camp. Ich hasse es und ich kann´s nicht mehr sehen, immer diese eingetretenen Pfade. Bloß nichts mal anders machen. Generell ist das mit dem Anders-machen schwer.

Alle springen, also springe ich auch – Lemminge

Familien fahren seit Jahren immer in denselben Ort an der Adria, den kennt man, da weiß man, was einen erwartet. Selbst jüngere Semester, die aber in Exyu geboren sind, kommen teilweise nicht auf die Idee, mal nach Thailand zu fahren, wozu auch, Kroatien liegt vor der Tür.

Ist das ein postkommunistisches Trauma, dass man möglichst konform handeln möchte. Je stärker der Einfluss vom Balkan, umso un-individueller ist man.
Spielt man ein Instrument ist es Akkordeon, die Hochzeit findet in Exju statt, Kinder müssen getauft werden. Man macht nichts, was die Familie nicht gut heißt.

Ich erinnere mich daran, dass es einen Verwandten gestört hat, dass ich meine Uhr rechts trage und nicht links, war ihm unbegreiflich, denn das ist „naopako“. Man macht nichts naopako. Meine Uhr habe ich dann im Bosnienurlaub absichtlich immer rechts getragen, nur ihm ihn zu ärgern.

Diskussionen gab es auch immer dann, wenn ich zuerst den Nachtisch essen wollte und dann vielleicht später das Hauptgericht, weil ich noch keinen Hunger hatte.
Jok, naopako!

Da ich auch mein Kind ohne Trauschein geboren habe, begleitet mich der Spruch ein Leben lang: Kod nje je uvijek inat i sve naopako!


Ich glaube, dass eine starke Individualität als zu westlich betrachtet wird. Dinge müssen getan werden, wie es sich gehört. Tako se to radi.

Mein Sohn heißt Luca, ja mit „C“. Damals hat mir die italienische Variante einfach besser gefallen, seitdem darf ich mir immer anhören, dass das naopako ist und dass man den Namen mit „k“ schreibt. Nun, in Italien und Deutschland eben nicht, leb damit, meine Güte! Nein, er ist kein Mädchen! Nein, ich brauche dein Kopfschütteln nicht. Selbst an der Grenze fallen Bemerkungen, wo das Mädchen sei und dann will der Zollbeamte eine Erklärung, nein bekommst du nicht. Ich hasse das.
Nikola ist in Deutschland auch ein Frauenname, nennst du dich deshalb Nikolas?

Dieses sture Befolgen von unausgesprochenen Regeln widerstrebt mir gänzlich.

I hate these parts of Yu!

Fortsetzung folgt …













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