Der Jugo in mir liebt
Bosnien und alle anderen Länder des ehemaligen Jugoslawiens, denn sie haben
viel Schönes zu bieten. Der Schwabo in mir rümpft aber über Etliches die Nase
und erhält heute seine Plattform.
Aufgrund der vielen
Nachrichten, die mich erreichten, wird der Blogpost auf mehrere Teile
aufgeteilt.
Hassliebe Teil eins beginnt
mit einer ominösen Erkrankung der vulva, bindge und trash eating, der allwissenden
jugoslawischen Philosophie und Lemmingen.
Vulva vulgaris
Mein kleiner Sohn steht vor
mir und sagt: „Idi u pičku materinu.“
Nach einer kurzen Pause fügt
er hinzu: „Jebem ti mater.“ Wir sind in Bosnien und Familienmitglieder finden
es wohl sehr amüsant, dem kleinen Schwabo Serbokroatisch beizubringen. Dass es
sich um derbe Schimpfwörter handelt, ist volle Absicht, denn das hört sich
unglaublich lustig an, wenn ein Vierjähriger weibliche Körperteile zum Fluchen
verwenden kann, von denen er noch nicht einmal weiß,wo sie liegen. Immer wieder
kam es wegen solchen Zwischenfällen zu Diskussionen, in denen ich gebeten habe,
ihm etwas Sinnvolles beizubringen, aber es hat nicht gefruchtet und ich war die
Spaßbremse.
Eine Followerin schreibt:
Sie bringen deinem Kind bei „Puši kulac“.
Ein halbes Jahr später wird
dann gejammert: „E kako češ babi tako nešto reći?“
Karma strikes back, baba.
Überhaupt ist das Fluchen
sehr weit verbreitet, was es für mich nicht akzeptabler macht. Wie kann man
einerseits gottesfürchtig sein und dann andererseits sagen: „Jebem ti boga“,
auch das „sunce“ muss herhalten, Jesus oder sogar das täglich Brot.
Fluchen ist so
allgegenwärtig, dass es sogar in einer freundlichen Version gebraucht werden
kann, wie auch schon Danko Rabrenovic gesagt hat. Während Dankos Video zu
diesem Thema wirklich witzig ist, bin ich jedes Mal peinlich berührt, wenn die
Worte „kurac“ und „pička“ zu oft fallen. Es ist mir daher sogar unangenehm,
wenn mich jemand fragt: „Hoćeš pizzu?“
Nicht einmal eine
Übersetzung ins Deutsche macht es ertäglicher, denn ich finde sie noch
vulgärer. Anzügliche Bemerkungen sind keine Seltenheit. Ich weiß noch, wie ein
Bekannter einmal sagte: „Tvoja mama mi je draža gola, nego tvoj tata obučen.“
(Deine nackte Mama ist mir lieber, als dein angezogener Vater.) Was soll ein
Kind mit dieser Information anfangen?
Als die Tochter einer
Bekannten ungeplant schwanger wurde, sagte ihre Tante damals zu ihr: „Pa
jebiga, žašto se jebeš, kad ne znaš?“
Letztens habe ich in den
Nachrichten gelesen, dass ein serbischer Politiker sogar entlassen wurde, weil
er gegenüber einer Journalistin einen anzüglichen Satz fallen gelassen hat,
dabei bin ich ziemlich sicher, dass er es nicht einmal böse gemeint hat. Es ist
eine Art von Humor, die schon immer allgegenwärtig war. Jugoslawen leiden
kollektiv an vulva vulgaris.
S. aus der Schweiz schrieb mir, dass sie mit einer schweizer Freundin in Kroatien war und Bekannte sagten ständig zu ihrem Sohn: "Hajde je pitaj hoce li ti dati."
Irgendwann reichte es S. und sie sprang auf: A zasto bi mu dala, kad je budala?!
Die Bekannten waren natürlich beleidigt und haben anschließend nicht mehr mit ihr geredet. Ja, es gibt wohl dieses Bild, dass man das zu Ausländerinnen, die man noch dazu kaum kennt, sagen kann. Aber ich denke, die einheimischen Frauen leiden genauso unter diesen niveaulosen Sprüchen.
S. aus der Schweiz schrieb mir, dass sie mit einer schweizer Freundin in Kroatien war und Bekannte sagten ständig zu ihrem Sohn: "Hajde je pitaj hoce li ti dati."
Irgendwann reichte es S. und sie sprang auf: A zasto bi mu dala, kad je budala?!
Die Bekannten waren natürlich beleidigt und haben anschließend nicht mehr mit ihr geredet. Ja, es gibt wohl dieses Bild, dass man das zu Ausländerinnen, die man noch dazu kaum kennt, sagen kann. Aber ich denke, die einheimischen Frauen leiden genauso unter diesen niveaulosen Sprüchen.
Unter sehr engen Freunden
und ab und zu mag dieses Fluchen im Spaß durchaus seine Berechtigung haben,
aber im Alltag und zu jeder Zeit, ruft es in mir ein unangenehmes Gefühl hervor, gewürzt mit einer
Prise Primitivismus – wobei ich beim nächsten Punkt wäre.
Znam da sve znam – Balkrates primitivus in seiner grenzenlosen Ignoranz
Natürlich sind kaum
Akademiker als Gastarbeiter in den Westen gekommen und oft kommt es mir so vor,
als ob sich der geballte Primitivmus bestens unter Jugos gehalten hat. Während
Sokrates sagte: Ich weiß, dass ich nichts weiß, weiß der Balkan-Philosoph Balkrates
alles und zwar besser, auch durch die Wissenschaft lässt er sich dann nicht
überzeugen.
Verzeiht, ich
verallgemeinere sehr und überspitze es, aber manchmal sehe ich mir die Szenen
an und denke: Ok, so ist es also eine Evolutionsstufe weiter unten. Denn die
Mutter einer Freundin wedelte mit dem weißen Speck:
„Möchtest du, Snježana? Habe
ich gerade aus Bosnien nach Deutschland geschmuggelt. Ha, oš?“
„Nein, danke“, entgegne ich
und halte meine Rede, dass ich Vegetarierin bin und dass reines Schweinefett
auch nicht so gesund ist, wie ja allgemein bekannt.
„Neš, aaa? Štoooo? Nemaju ti
njemački doktori pojma. To je zdravo.“
Ich bekomme zu hören, dass
das gar nicht stimmt, es sei sogar sehr gesund und erst letztens habe sie
gehört, dass der bosnische Arzt den moslemischen Frauen jeden Tag ein Stück weißes
Fett empfiehlt, denn das sei gut für die Lungen. Alle Mosleminnen haben es mit
den Lungen, weil sie kein Schweinefett äßen.
Nun, man muss wissen, wann
man nickt und sich verabschiedet, ohne eine Diskussion anzufangen. Die Frau war
über 60 und ich wollte sie nicht weiter belehren.
Viel erschreckender ist,
dass ich eine Freundin hatte, die zwar 1983 geboren ist, aber genauso war. Als
sie damals sah, dass ich ein Buch von Waris Dirie lese, wollte sie wissen,
worum es geht. Ich klärte sie auf, dass die Autorin beschnitten wurde, worauf
ich herzlich ausgelacht wurde. Wie man so dumm sein kann und wie kann man denn
eine Frau beschneiden. Auf meine Erklärungen hin, dass das sogar heute noch
passiert und auch mitten in Europa, folgte wieder nur ein Augenrollen.
„Meinst du nicht, die Welt
hätte schon mal davon gehört? Also ich habe so einen Unsinn noch nie gehört!“
Das legte sich nicht einmal,
als ich ihr androhte, ihr die Bilder bei Google zu zeigen. Generell sind Jugos
Schlaumeier und wissen alles und das auch noch besser.
Wenn sie älter sind als man
selbst, hat man sowieso nichts zu melden.
Von Älteren habe ich oft
gehört: „Šut! A, šta ti znaš?
Nichts, ich weiß, dass ich
nichts weiß. Kein Problem, nimm die Tabletten deiner Frau gegen den hohen
Blutdruck, dabei hast du Diabetes, den musst du nicht überprüfen lassen.
Und du Mädel, nimm nur eine
Pille kurz vor dem Verkehr und nicht jeden Tag, wird schon gut gehen! Ich kannte eine Frau, die sich zu sehr auf Gerede statt auf die Wissenschaft verlassen
hat. Sie war der festen Überzeugung, dass sie nicht schwanger werden kann,
solange sie ihr erstes Kind noch stillt. Ich habe gesagt, dass das nicht
stimmt, aber das haben die Frauen ihn ihrem Ort angeblich seit Jahrhunderten so
gemacht und nie wurde während des Stillens ein Kind gezeugt.
Das Ende vom Lied ist, dass
die zweite Tochter nur 12 Monate jünger ist als die erste.
Bolje da ljulja nego da žulja
Das Thema Ernährung nervt
mich ganz besonders und immer die leicht verächtlichen Blicke, wenn klar wird,
dass ich kein Fleisch esse. Ständig muss ich mir anhören, dass ich zu dünn bin,
man kann nicht arbeiten ohne Energie, ohne Eiweiß, die viele körperliche Arbeit
auf dem Feld, da muss man einfach richtig essen. Sprach´s und verdückte
bergeweise Weißbrot und Schweinebraten mit Kartoffeln, das Ganze schön gebraten
in Sonnenblumenöl. Argumente, wie dass Bohnen viel Eiweiß enthalten oder dass
es selbst unter Leistungssportlern Vegetarier gibt, die zählen einfach nicht.
Ich bekomme keinen Mann ab, wenn ich so mager bin, bolje da ljulja nego da
žulja. Wenn ich in Prnjavor einen Orangensaft bestelle, dann bekomme ich ab und
zu Fanta, denn die ist auch gesund.
Kristina schrieb mir über
den Jugoschwabo, dass es sie nervt, wenn ihre Kinder gemästet werden. Es wird
einfach nicht geduldet, dass sie keinen Hunger mehr haben und so eine
Glutenunverträglichkeit sei ja auch nichts, was soll denn schon passieren
„Hoċeš rezance? Hajde probaj kolač, šta će ti biti.“
Naja viel passieren kann
nicht, ein Zöliakie-Betroffener kann nur unter Schmerzen deine Porzellanschüssel
sprengen oder eine Magenschleimhautentzündung bekommen.
Ich kenne eine dicke Frau
unten, die ihrem Kind Butter pur in den Mund schiebt oder Pommes und sich dann
wundert, warum der Kleine nicht mal hundert Meter Fahrrad fahren kann. Also das
kann sie sich nicht erklären. Nein? Ich mir schon. Er äße doch gar nicht viel,
Süßigkeiten kaum. Nein, dafür trinkt er einen Liter Cola am Tag und hat schwarze
Ruinen im Mund. Aber das macht auch nichts, denn das sind nur die Milchzähne
und die fallen auch aus, ob ich denn das nicht wüsste? Gelächter aufgrund meiner
Dummheit verbreitet sich.
Meine Schwester war in
Bosnien bei der Nachbarin, deren Tochter verspeiste kiloweise Kartoffelchips.
Als meine Schwester sagte, dass es jetzt genug ist, sagte die Nachbarin: „Das
ist aus Kartoffeln, die sind ganz gesund. Als die Kleine krank war, hat sie
nichts anderes gegessen, die Kartoffelchips haben sie gesund gemacht!“
Ein Besuch in Bosnien ist
trotz viel Obst und Gemüse für mich nicht einfach, das Essen ist mir zu
ungesund. Wie oft werde ich genötigt, bereits morgens Pfannkuchen zu essen. Zu
allem gibt es Weißbrot und die Kuchen und Torten triefen nur vor Fett, tulumbe,
hurmašice, uštipke und Co. Kann ich einfach nicht jeden Tag essen. Die
Portionen sind so groß, dass ich sie nie aufessen kann und dann folgen wieder
diese mitleidigen Blicke. Sie denken bestimmt, ich bin ein armes Opfer des
Westens, blind vor Magerwahn. Sorry, Marija, ihr schmeckts nicht und sie leidet
an einem Zucker-Overkill, der von einem Dauerzittern begleitet wird vom vielen
Kaffee, den man immer und überall trinken muss. Was bin ich glücklich, wenn ich
einfach Tomaten vorgesetzt bekomme, gebratene Paprika mit Knoblauch und ein
Wasser.
Wieso gibt es wie bereits an
anderer Stelle erwähnt, auf Feiern immer und ausnahmslos dasselbe zu essen?
Warum? Ich kann nicht aufzählen, wie oft ich supa, kupus salata, sarma, pečenje
und grah gegessen habe. Haben die Jugos Angst, dass andere das erwarten? Denken
sie es gibt sonst Gerede? Als ich einmal erwähnte, dass es auf meiner Hochzeit
das sicher nicht gibt, gab es auch erstaunte Blicke, als ob ich gesagt hätte,
ich heirate Marija Šerifović nackt im FKK Camp. Ich hasse es und ich kann´s
nicht mehr sehen, immer diese eingetretenen Pfade. Bloß nichts mal anders
machen. Generell ist das mit dem Anders-machen schwer.
Alle springen, also springe ich auch
– Lemminge
Familien fahren seit Jahren
immer in denselben Ort an der Adria, den kennt man, da weiß man, was einen
erwartet. Selbst jüngere Semester, die aber in Exyu geboren sind, kommen
teilweise nicht auf die Idee, mal nach Thailand zu fahren, wozu auch, Kroatien
liegt vor der Tür.
Ist das ein
postkommunistisches Trauma, dass man möglichst konform handeln möchte. Je
stärker der Einfluss vom Balkan, umso un-individueller ist man.
Spielt man ein Instrument
ist es Akkordeon, die Hochzeit findet in Exju statt, Kinder müssen getauft
werden. Man macht nichts, was die Familie nicht gut heißt.
Ich erinnere mich daran,
dass es einen Verwandten gestört hat, dass ich meine Uhr rechts trage und nicht
links, war ihm unbegreiflich, denn das ist „naopako“. Man macht nichts naopako.
Meine Uhr habe ich dann im Bosnienurlaub absichtlich immer rechts getragen, nur
ihm ihn zu ärgern.
Diskussionen gab es auch
immer dann, wenn ich zuerst den Nachtisch essen wollte und dann vielleicht
später das Hauptgericht, weil ich noch keinen Hunger hatte.
Jok, naopako!
Da ich auch mein Kind ohne
Trauschein geboren habe, begleitet mich der Spruch ein Leben lang: Kod nje je
uvijek inat i sve naopako!
Ich glaube, dass eine starke
Individualität als zu westlich betrachtet wird. Dinge müssen getan werden, wie
es sich gehört. Tako se to radi.
Mein Sohn heißt Luca, ja mit
„C“. Damals hat mir die italienische Variante einfach besser gefallen, seitdem
darf ich mir immer anhören, dass das naopako ist und dass man den Namen mit „k“
schreibt. Nun, in Italien und Deutschland eben nicht, leb damit, meine Güte!
Nein, er ist kein Mädchen! Nein, ich brauche dein Kopfschütteln nicht. Selbst
an der Grenze fallen Bemerkungen, wo das Mädchen sei und dann will der
Zollbeamte eine Erklärung, nein bekommst du nicht. Ich hasse das.
Nikola ist in Deutschland
auch ein Frauenname, nennst du dich deshalb Nikolas?
Dieses sture Befolgen von
unausgesprochenen Regeln widerstrebt mir gänzlich.
I hate these parts of Yu!
Fortsetzung folgt …
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