Eigentlich wollte ich über Guča schreiben, da ich finde, dass das Festival ganz gut zum Oktoberfest passt, auf dem ja auch Blaskappellen spielen, aber die Themen ergeben sich dann doch anders.
Heute habe ich es geschafft,
in einem Forum gesperrt zu werden, weil dem Moderator das Wort „jugo“ im
Blognamen Jugoschwabo nicht passte. Zudem wurde mir mehrmals gesagt:
„Jugoslawien gibt es nicht mehr.“ Verdammt – ich habe für meinen Urlaub gerade
mein gesamtes Erspartes in Dinar gewechselt.
Da ich ja nun gesperrt bin,
kann ich den genauen Wortlaut nicht nachvollziehen, aber Herr Kristijan K. warf
mir vor, ein totalitäres Regime zu unterstützen, ein System, das
Hunderttausende Menschen auf dem Gewissen hat.
Wie könnte ich es wagen, den
roten Stern auf eine deutsche Flagge zu setzen, was ich mir dabei gedacht
hätte?
Er empfindet das Wort „jugo“
als persönliche Beleidigung und benutzte das Wort „Hass“.
Um ehrlich zu sein, hatte
ich mit so einer Reaktion nicht gerechnet.
Für mich steht das Wort für
das alte Jugoslawien, für eines, in dem es noch keinen Krieg gab.
Mir wurde vorgeworfen, ich
sei jugonostalgisch und wie ich jetzt weiß, ist das zumindest in dieser
Forumsgruppe nicht erwünscht.
Auf meinen Einwand, dass die
deutschen ja auch Millionen von Menschen auf dem Gewissen haben, und ob ich
denn nun auch keine deutsche Flagge schwenken darf, wurde nicht eingangen.
Was hatte Herrn K. so rasend
gemacht? Natürlich weiß ich wenig, viel zu wenig über die Geschichte dieses
Landes, aber mir war nicht klar, dass vier kleine Buchstaben eine so heftige
Reaktion auslösen können.
Ja ich hatte sie gespürt,
eine leichte Anwandlung von Jugoslawien-Nostalgie, aber war das etwas Falsches?
In einem serbienbezogenen Forum gab es keine Reaktionen, in diesem von Kroaten
besuchten Forum folgte mein Rausschmiss schneller nego što si reko keks
(schneller als du Keks sagen kannst).
Ich startete eine Umfrage.
Bist du Ex-Yu-nostalgisch?
Die Antwort der meisten Kroaten war: Nein.
Die Antwort der meisten
Serben lautete: Ja oder Etwas.
Lag es also daran? Ich
begann zu recherchieren. War die Jugonostalgie ein serbisches Phänomen.
Was ich dann aber entdeckte,
überraschte mich.
Das kleine Land Slowenien
schwelgt seit Jahren in der Vergangenheit und im Titoismus.
Belgrad verzeichnet
Besucherrekorde aus Slowenien, besonders zum Jahreswechsel strömen unzählige
Touristen in die Stadt, um die Rudimente der SFRJ (Sozialistische Föderative
Republik Jugoslawien) aufzusaugen. Der slowenische Journalist, Soziologe und
Politiker Dimitrij Rupelj äußert seine Verwunderung über die slowenische Nostalgie.
Auch immer mehr junge
Slowenen pilgern nach Belgrad und wandeln im blauen Zug auf Titos Spuren, sie
tragen Partisanenmützen und besuchen an Titos Todestag den 4. Mai sein
Mausoleum im Haus der Blumen (kuća cveća).
Aber es gibt auch kroatische
Nostalgiker, wie dieser Film zeigt:
Die Vorwürfe an Yu-Nostalgiker und generell alle I love Yu-Anhänger lauten:
· Tito war ein
Diktator und es herrschte eine Parteidiktatur
· Die
verschiedenen Völker wurden in einem politischen Multikulti-Staat künstlich
durch Gewalt zusammengehalten
· Minderheitenforderungen
wurden nicht geduldet
· Das Ausleben der
eigenen Nationalität war untersagt
· Staatsfeinde und
Kritiker wurden entmachtet und ermordet
· Tito ist schuld
an den Jugoslawienkriegen, da er Nationen in einem Staat zusammengefasst hat,
der nach seinem Tod zwangsläufig auseinanderbrechen musste. Die
nationalistischen Bestrebungen konnten nach 1980 endlich zum Tragen kommen und
zogen den Krieg nach sich, mit dessen Folgen die Nachfolgestaaten heute noch zu
kämpfen haben und die Hunderttausende Menschen das Leben gekostet haben
· Tito ließ die
Gastarbeiter ziehen und tat nichts, um sie im Land zu halten, deswegen sind sie
heimatlos in der ganzen Welt verstreut (Ja, dieses Argument habe ich
tatsächlich gehört).
· Das Jugoslawien unter Tito nahm den Kroaten
fast die gesamten Tourismuseinnahmen, die nach Belgrad flossen, den
Kroaten blieb so gut wie nichts, sie fühlten sich ausgenutzt. Wieso sollte
ihr Geld zur Unterstützung wirtschaftlich schwächerer Republiken verwendet
werden.
Die Nostalgiker entgegnen:
· Uns ging es vor
dem Krieg gut
· Wir waren alle
gleich
· Wir hatten
Arbeit und konnten ganz gut leben
· Wir hatten ein
Recht auf Bildung und Gesundheitsversorgung (1974 hatte Jugoslawien die meisten
weiblichen Hochschulabsolventen europaweit, weltweit belegte das Land den 5.
Platz)
· Wir hatten nicht
alles, aber wir hatten alles, was wir brauchten
· Wir konnten
reisen, wohin wir wollten
· Jugoslawien war
ein blockfreier Staat, selbstbewusst und renommiert
· Jugoslawien war
unter Tito der einzige Staat, der sich selbst von der deutschen, nationalsozialistischen
Belagerung befreite. Tito bot Stalin und Hitler die Stirn und muss man nicht
denjenigen verehren, der das Land vor Hitler beschützte? Hatte nicht Tito die Cohones
in der Hose, die vielen fehlten?
· Seit 1974 war es
jeder Teilrepublik laut Verfassung erlaubt, den Staatenbund Jugoslawien auf
Wunsch zu verlassen, zudem wurden in diesem Jahr weitere Autonomierechte
gewährt, daher bestand seit diesem Jahr kein Zwang, im Staatenbund zu bleiben
· Tito ließ die
Gastarbeiter ziehen und verringerte so die Arbeitslosigkeit im eigenen Land und
sicherte Jugoslawien den Zufluss an Devisen
· Wir waren wer in
der Welt, heute sind wir nichts
· In Jugoslawien
herrschte ein liberaler Kommunismus, die Medien wurden größtenteils nicht
zensiert, Kritik war einige Zeit lang sogar erwünscht. Jazz wurde
beispielsweise in allen sozialistischen Staaten als Rebellion verstanden und
war daher verboten, in Jugoslawien war er genau wie Rockmusik erlaubt.
· Viele
verschiedenen Völker lebten friedlich zusammen
Wahrscheinlich ließe sich
diese Liste ewig weiterführen, aber die Lager sind tief gespalten.
Ernesto aus einer Yu
Nostalgija-Gruppe auf Facebook sagt:„pitaju
me...odakle si? ja jim kažem...iz Jugoslavije...oni kažu...ali Jugoslavije više
nema...ja jim odgovorim...znam da više nema ali ja ipak dolazim iz nje. Meni i
svim ostalim koji smo ili su rođeni u Jugoslaviji priše u rojstnom
listu...Jugoslavija...to se ne može izbrisati...ja sam rođen u Jugoslaviji...a
republike su bile sustave jedne lepe zemlje“ (Sie fragen mich, woher ich komme,
ich sage aus Jugoslawien und sie sagen: Aber Jugoslawien gibt es nicht mehr und
ich antworte: Ja ich weiß, aber ich komme dennoch aus diesem Land. In meiner
Geburtsurkunde und in den Urkunden aller, die in Jugoslawien geboren sind steht
Jugoslawien, das kann man nicht ausradieren, ich bin dort geboren und die
einzelnen Republiken waren Teil eines wunderschönen Landes.)
Ernesto
ist in Kroatien geboren und lebt seitdem in Slowenien. Er sagt er sei Jugoslawe
und ein Staatsbürger Sloweniens.
Mirsada
sagt:„Evo ja sam rođena u Makedoniji, odrasla u Bosni, sada živim u Srbiji, šta
bih ja trebala da budem?“ (Ich bin in Makedonien geboren, in Bosnien
aufgewachsen und lebe jetzt in Serbien, was soll ich denn sonst sein als Jugoslawin?)
Und
tatsächlich: Was ist mit den Kindern aus Mischehen, in denen die Eltern aus
unterschiedlichen Republiken kommen oder unterschiedliche Religionen haben?
War
alles schlecht früher? War Vieles besser? Sind Jugo-Nostalgiker vergleichbar
mit Anhängern der DDR? Idealisieren Sie den Kommunismus?
Herrscht
um Josip Broz Tito, den Charismatiker, ein ähnlicher Personenkult wie um Fidel
Castro oder Che Guevara?
Anscheinend.
In
speziell auf die Yu-Nostalgie spezialisierten Reisebüros in Belgrad kann man
sogar Events mit Tito-Doubles buchen und sich von einem Chor „Druže Tito mi ti
se kunemo“ vortragen lassen. Ja früher war man stolz auf sein Land, worauf soll man heute stolz sein, auf den Krieg? Auf den Nationalismus? Auf den Hass?
Es herrscht ein Schmerz, den den Jugoslawen niemand nehmen kann. Eine schwermütige Wehmut, die mit der Zeit nur stärker wird und die viele gebrochen hat. Die Heimat, sie ist weg, verloren für immer und man selbst wurde nicht gefragt. Im Grunde kann man die Nostalgie so am besten beschreiben: was die Politiker und Nationalisten machen, ist eine Sache, was viele in der Bevölkerung wollen und dass sie die anderen Nationen immer noch als Brüder sehen, eine andere.
Es herrscht ein Schmerz, den den Jugoslawen niemand nehmen kann. Eine schwermütige Wehmut, die mit der Zeit nur stärker wird und die viele gebrochen hat. Die Heimat, sie ist weg, verloren für immer und man selbst wurde nicht gefragt. Im Grunde kann man die Nostalgie so am besten beschreiben: was die Politiker und Nationalisten machen, ist eine Sache, was viele in der Bevölkerung wollen und dass sie die anderen Nationen immer noch als Brüder sehen, eine andere.
In
einem Forum schreibt Jugovich: „Diese
Jugo-Nostalgie ist noch ein kleines und empfindliches Pflänzchen welches sich
über die nächsten Jahre und Jahrzehnte mit viel Verständnis, Toleranz und in
die Zukunft gerichtetem Blick zu einem starken Baum entwickeln könnte.
Vielleicht kommen ja langsam die Menschen dort unten zur Vernunft und sehen, dass es damals gemeinsam, trotz oder vielleicht gerade wegen dem etwas freiheitlicheren Sozialismus, doch viel besser war als heute, wo jeder der Nachfolgestaaten für sich alleine ist mit seinen Problemen.
Nicht Jugoslawien als Idee oder Staat war schuld an dem Bürgerkrieg, sondern psychopathisches Gesindel wie Miloševic oder Tudjman und ihre Schergen welche als Kriegstreiber in die Geschichte eingegangen sind. Da waren aber leider auch große Teile der Bevölkerung auf beiden Seiten welche auf die gleichen Propagandatricks reingefallen sind wie sie auch Hitler und Göbbels anwandten. Die versöhnlichen Stimmen, welche es auf jeder Seite gab wollte leider niemand hören.“
Vielleicht kommen ja langsam die Menschen dort unten zur Vernunft und sehen, dass es damals gemeinsam, trotz oder vielleicht gerade wegen dem etwas freiheitlicheren Sozialismus, doch viel besser war als heute, wo jeder der Nachfolgestaaten für sich alleine ist mit seinen Problemen.
Nicht Jugoslawien als Idee oder Staat war schuld an dem Bürgerkrieg, sondern psychopathisches Gesindel wie Miloševic oder Tudjman und ihre Schergen welche als Kriegstreiber in die Geschichte eingegangen sind. Da waren aber leider auch große Teile der Bevölkerung auf beiden Seiten welche auf die gleichen Propagandatricks reingefallen sind wie sie auch Hitler und Göbbels anwandten. Die versöhnlichen Stimmen, welche es auf jeder Seite gab wollte leider niemand hören.“
Ein anderer sagt: „Dann sagt
nochmal jemand dass Slowenen Anti-Jugoslawen sind.
Scheiß auf die Drecks-EU, wir wollen nur Jugoslawien wieder, womit wir auch stärker wären als die EU.
Übrigens hoffe ich stark dass sich unser Land bald wiedervereinigt.“
Scheiß auf die Drecks-EU, wir wollen nur Jugoslawien wieder, womit wir auch stärker wären als die EU.
Übrigens hoffe ich stark dass sich unser Land bald wiedervereinigt.“
Nur
ein Gehirnamputierter hofft, dass sich das Land wiedervereinigt bekommt er als
Antwort, wohingegen auch andere Stimmen laut werden:
„Genau das Gleiche wurde
immer über die Wiedervereinigung Deutschlands gesagt.
Just als die SPD 1988 das Ziel auf eine Wiedervereinigung der beiden Deutschen Staaten hinzuarbeiten als Parteiziel aufgegeben hatte (weil man sich einig war, dass eine Wiedervereinigung unrealistisch wäre), stand die Wende und die Wiedervereinigung vor der Tür.“
Radmila Blickenstorfer aus der Schweiz sagt: „Dass Jugoslawien auseinander gefallen ist, kann ich heute noch nicht akzeptieren. […] Für mich ist es in meinem Kopf
und in meinem Herzen noch immer so: Menschen, die aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien kommen, sind meine Landsleute. Ob sie das wollen oder nicht, ist ihre Sache, aber sie sind es für mich. Ich bin nach wie vor Jugoslawin, Nostalgie-Jugoslawin.“ Quelle
Just als die SPD 1988 das Ziel auf eine Wiedervereinigung der beiden Deutschen Staaten hinzuarbeiten als Parteiziel aufgegeben hatte (weil man sich einig war, dass eine Wiedervereinigung unrealistisch wäre), stand die Wende und die Wiedervereinigung vor der Tür.“
Radmila Blickenstorfer aus der Schweiz sagt: „Dass Jugoslawien auseinander gefallen ist, kann ich heute noch nicht akzeptieren. […] Für mich ist es in meinem Kopf
und in meinem Herzen noch immer so: Menschen, die aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien kommen, sind meine Landsleute. Ob sie das wollen oder nicht, ist ihre Sache, aber sie sind es für mich. Ich bin nach wie vor Jugoslawin, Nostalgie-Jugoslawin.“ Quelle
Die Jugo-Nostalgie ist also
da. Sie ist ein länder-, kultur- und religionsübergreifendes Phänomen, dem sich
sogar die New York Times widmet, Wikipedia oder die FAZ.
Haben
Jugoslawiens Einwohner einfach zu sehr gelitten? Hat der Krieg ihnen alles oder
so viel genommen, dass sie aufgrund des Traumas in einer Welt leben, in der
noch alles heil war? Selbst wenn es schon Spannungen gab?
Ja
politisch und geographisch gibt es die SFRJ nicht mehr, aber die Sprache verbindet,
die Geschichte und die vielen Gemeinsamkeiten. Gehen nicht Serben, Kroaten,
Slowenen, Montenegriner und Makedonier zusammen auf Balkan-Partys? Schustern
sie sich nicht beim Eurovision Song Contest nicht immer gegenseitig Punkte zu?
Hören
Sie nicht Interpreten der „anderen“ Länder?
Jugoslawien
ist Geschichte, sagte man mir. Das ist nur was für Pathetiker. Pazi nigdje više
patetike nego na Balkanu (nirgends gibt´s mehr Pathetik als auf dem Balkan)
verteidigte man mich.
Es
entstand etwas Neues. Die „Jugosphäre“. Sie umfasst das Gebiet von Ex-Yu und
steht für die gesellschaftliche starke Verflechtung der Ex-Republiken.
Vielleicht sind dies genau jene Menschen, die den Krieg nie wollten und ich wollte ihn auch nicht. Vielleicht träumen sie davon, wie es anders hätte laufen können....
Jugoslawien
ist tot, es lebe Jugoslawien!
Click me: Ein Traum vom Vielvölkerstaat
(Im Positiven) zum Nachdenken anregend!
AntwortenLöschenIch hoffe,ich erlebe noch eine Wiedervereinigung,bis zu meinem Tod
AntwortenLöschendu sprichst mir aus den Herzen..
AntwortenLöschenEinfach der Name des Landes bringt Gänsehaut! Das Land war einfach die Nummer 1 auf der Welt, doch das passte der EU und USA nicht. Für den Zerfall der SFR Jugoslawien sind alleine diese beiden Seiten verantwortlich. Es herrschte Eifersucht und kein anderes Land hatte in so kurzer Zeit nach dem Krieg so viel Gemeinschaft und Aufschwung wie JUGOSLAVIJA! Und ja, echt cooler Text und ich hoffe selbst ich werde bald meinen serbischen Pass los, und erhalte einen jugoslawischen Pass erhalten mit 6 Fackeln!
AntwortenLöschen