20. September 2012

Jugoschwabo

Als ich klein war und gefragt wurde:„Wie gut kannst du Jugoslawisch?“ antwortete ich immer: „Sehr gut, besser als Deutsch. Das ist meine Muttersprache!", denn bei uns daheim wurde nie Deutsch gesprochen.
Alle deutschen Haushalte, in denen Immigranten aus dem ehemaligen Jugoslawien wohnten, lagen meiner Meinung nach auch in Deutschland. Alle? Nein, nur unserer nicht. Eine kleine Wohnung in Bayern und ein Jugo aus Bosnien leisten weiter Widerstand.
„U ovoj kuci se govori Jugoslovenski!" (In diesem Haus wird Jugoslawisch gesprochen) pflegte mein Papa zu sagen. Auf den Einwand:„Ali tata mi zivimo u Njemackoj!" (Aber Papa, wir leben in Deutschland!" sagte er stets:„Ovaj stan je teritorija Jugoslavije." (Diese Wohnung ist jugoslawisches Staatsgebiet). Damit war die Diskussion beendet.

Jahre später bin ich ihm dankbar, dass er so konsequent war und meine Schwester und mich animierte, unsere Muttersprache zu sprechen, auch wenn die Sprachfertigkeit nie an das Deutsche herankommen würde.

Irgendwann um das Jahr 2003/2004 beschloss ich mit zwei Freundinnen, meine Kenntnisse aufzupolieren. Wir nahmen Privatunterricht bei einem Dozenten, der Jugendlichen das korrekte Serbokroatisch näher brachte.
 Ich weiß noch genau, dass es mir wie Schuppen von den Augen fiel. Ich hatte keine Ahnung von dieser Sprache, ich war blank, blanker, am blänkesten und konnte froh sein, dass mich meine Freunde in Jugoslawien nicht auslachten. „Das Plankton schwebt schwerelos in den Tiefen des Ozeans.“ stand auf meinem Papier und ich sollte den Text in das Jugoslawische übersetzen.

Genauso gut hätte er mich fragen können, ob ich den Text vielleicht schnell in das Koreanische  übertragen könnte. „Was heißt denn Plankton?, dachte ich. Na, wenn ich Glück habe, dasselbe. Und „schweben“? Nicht die leiseste Ahnung. Ich teile dem Lehrer also mit:„Ja ne pričam dobro, tekst je previše težak“ (Ich erzähle nicht so gut, der Text ist zu schwer). Den Kurs habe ich irgendwann aufgegeben, aber ich habe gelernt, dass es heißt: „Ja ne govorim dobro“, denn „pričati“ heißt „erzählen“, während „govoriti“ „sprechen“ heißt.

Ähnlich ging es mir in Gesprächen über die Herkunft. Irgendwann stellt jeder Jugo die Frage:„Odakle si?“ (Wo kommst du her?) und damit meint er nicht, wo du in Deutschland wohnst, sondern in Ex-Yu.
Wenn mein Gegenüber nicht gerade in den großen Hauptstädten wohnte, wusste ich wirklich nicht, wo zur Hölle sein kleines Dorf lag. „Ich komme aus Petrinje“ rief bei mir nichts hervor. „Das ist bei Sisak.“ Es klingelt immer noch nicht. Sisak hätte in Kroatien, in Serbien, am Meer oder in den Bergen liegen können.

Ich wusste einfach so gut wie nichts über das Geburtsland meiner Eltern. Ich war nie in einer dopunska skola, nie beim Folklore-Tanzen und nie wirklich länger in Jugoslawien als 2-3 Wochen am Stück.

Ich war also ein Jugoschwabo, kein Gastarbeiter, der erst Deutsch lernen muss und zusehen muss, wie er sich integriert. Nein, ich war Deutsche mit Jugo-Wurzeln, die über diese Wurzeln nur rudimentär Bescheid wusste.
Die besser Deutsch kann als Jugoslawisch und die nie dort unten gelebt hat und je älter ich werde, umso mehr möchte ich über diese roots wissen. Über die Menschen, die Kultur, die Mentalität, die Sprache und alles, was mit Ex-Yu in Verbindung steht.
Dabei soll mir dieser Blog helfen. Ich hoffe, ihr mögt ihn.

Willkommen beim Jugoschwabo:-)

Sneki

P. S. Plankton heißt tatsächlich auch plankton und schweben heißt lebditi.

5 Kommentare :

  1. Hallo Sneki,

    ich bin über XING zufällig über diesen Blog gestolpert. Flott und humorvoll geschrieben! Bin neugierig, wie es weiter geht!? Ich habe zwar keine jugoslawische Wurzeln, aber das muss ja nicht stören.

    Viel Spaß, Erfolg und Grüße
    Zabaviti, uspjeh i pozdrav (?)
    Забавите се, успех и поздрав (?)

    Christian

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    1. Hallo Christian, das freut mich sehr, dass du als Nicht-Jugo den Blog magst.
      Es geht bald weiter:-)

      Viele Grüße

      Sneki

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  2. Und je älter ich werde desto schwerer fällt es mir auf jugoslawisch zu sprechen! Ich habe auch nicht mehr die Zeit die Sprache zu pflegen,indem ich Magazine und Bücher lese. Meine Freunde und Bekannten kommen von überall nur nicht aus YU, und nach YU fahre ich nur noch zu Hochzeiten, die es immer seltener gibt. Das einzige dass bezeugt, dass ich aus YU komme, ist mein Pass.
    Obwohl wir zuhause immer jugoslawisch gesprochen haben, und ich als Kind jugoslawische Freund_innen hatte, und wir als Kinder alle mehr jugoslawisch als deutsch sprachen, wurden wir "zuhause" immer von anderen Kindern und Verwandten ausgelacht. Deshalb habe ich schon als Kind sehr früh gespürt, dass ich eigentlich nirgendwo richtig dazugehöre und auch nie werde. Ich habe auch schon oft über einen Auffrischungskurs nachgedacht, aber mir war das so peinlich. Was das ärgste ist, ist dass ich einen Ausländer geheiratet habe und ihm helfen muss richtig Deutsch sprechen zu lernen. Jetzt spreche ich selber zuhause Deutsch!!! Das ist total frustrierend:(
    Grüße, Daniela

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  3. Hi daniela, so geht' s mir auch. Daher ja auch das ganze getippe, sich zeit nehmen zu lernen. Vielleicht sollte ich yugo-blogeinträge machen und selber die sprache aufpolieren und ihr mit mir. Ich kaufe mir ein lehrbuch für fortgeschrittene oder so. Pozdrav!

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